In dieser Übersicht werden die Schritte und andere Überlegungen hinsichtlich der Qualifizierung neuer medizinischer Produkte behandelt, die mittels Gammastrahlung sterilisiert werden sollen. Bei der aufgeführten Reihenfolge handelt es sich um die ungefähre Reihenfolge, in der die verschiedenen Schritte durchgeführt werden. Es gilt jedoch zu beachten, dass es zwischen verschiedenen Schritten zu erheblichen Überschneidungen kommen kann.

1. Materialauswahl

Bei der Entwicklung eines medizinischen Produkts sollte die Auswahl eines geeigneten Materials so früh wie möglich berücksichtigt werden. Es ist wichtig, dass das medizinische Produkt nach der Sterilisation weiterhin funktioniert (viele strahlungsresistente Materialien stehen durch mehrere Zulieferer zur Verfügung). In den FDA-Richtlinien ist festgelegt, dass – wenn das Sterilisationsverfahren eines Produkts geändert wird bzw. wenn ein neues Produkt auf den Markt gebracht wird – alle Produkte (Komponenten) getestet werden müssen, um sicherzustellen, dass Form, Passung und Funktion nach der Strahlungsaussetzung die Produktspezifikationen einhalten.

Zu den möglichen Strahlungseffekten auf einige Materialien gehören Versprödung, Entfärbung, unangenehmer Geruch, fehlende Funktion aufgrund einer kompromittierten physikalischen Eigenschaft (z. B. Zerreißfestigkeit). Einige Auswirkungen sind ggf. unmittelbar nach der Exposition sichtbar, andere hingegen entwickeln sich erst mit zunehmender Lagerung. Der Begriff „beschleunigte Alterung“ wird häufig verwendet, um Materialänderungen über längere Zeiträume zu beschreiben.1

Es ist wichtig, den Dmax bereits früh in der Planungsphase zu bestimmen. Der Dmax ist die höchste Dosis, der ein Produkt während des Prozesses ausgesetzt wird. Wenn dieser Wert festgelegt wurde, kann entschieden werden, ob die Materialien, aus denen das Produkt besteht, alle wichtigen Eigenschaften und Maße bis zu diesem Strahlungsniveau beibehalten. Als Faustregel kann gesagt werden, dass der Dmax-Zielwert für die Gammastrahlensterilisation bei mindestens der 1,6-fachen Mindeststerilisationsdosis und für die Elektronenstrahlsterilisation bei mindestens der 2-fachen Mindeststerilisationsdosis liegen sollte. Je größer der qualifizierte Bereich zwischen festgelegter Minimal- und Maximaldosis ist, desto schneller ist die Verarbeitungszeit aufgrund des verbesserten Planungspotenzials. Größere Dosisspezifikationsbereiche reduzieren außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass Produktverarbeitungsabweichungen auftreten (häufig im Zusammenhang mit restriktiven Dosisbereichen). Alle physikalischen Produkttests und Tests mit beschleunigter Alterung müssen am oder über der ausgewählten Maximaldosis durchgeführt werden und entsprechend der Good Documentation Practices dokumentiert werden.2

2. Produktions- und Produktkontrollen

Die Produktionsumgebung von Produkten muss kontrolliert sein. Die mikrobielle Population der Produktionsumgebung trägt zur mikrobiellen Belastung der produzierten Komponente bei und beeinflusst somit die Sterilisationsdosis. Eine konsistente Produktionsumgebung muss folglich als Teil des gesamten Dosisverwaltungsprogramms aufrechterhalten werden. Ein Programm zur Probennahme von Umweltproben kann unter Umständen von Vorteil sein, um zu zeigen, dass die Komponenten auf konsistente Art und Weise hergestellt werden.

3. Dosiseinstellung

Die Dosiseinstellung bezeichnet die Bestimmung der minimalen Menge an Strahlung, die erforderlich ist, um einen bestimmten Sterilitätssicherheitsfaktor (Sterility Assurance Level – SAL; normalerweise 10-6 oder 10-3) zu erreichen. Von der AAMI/ISO/ANSI festgelegte Richtlinien bieten mehrere Methoden zur Bestimmung einer angemessenen Minimaldosis für die Sterilisation eines bestimmten Produkts. Die am häufigsten eingesetzte Richtlinie umfasst experimentelle Methoden zur Bestimmung der mikrobiellen Belastung eines Produkts. Mithilfe dieser mikrobiellen Belastung wird die Widerstandsfähigkeit gegenüber Strahlung experimentell bestimmt und mit der Widerstandsfähigkeit einer bekannten „standardmäßigen“ Population verglichen (anhand derer die Richtlinien erstellt wurden). Wenn die mikrobielle Widerstandsfähigkeit gegenüber Strahlung gleich oder geringer als die „standardmäßige“ Population ist, dann ist die Sterilisationsdosis für das Produkt dieselbe wie für die „standardmäßige“ Population. Kurz gesagt läuft die Dosisfestlegung wie folgt ab:

  • Bestimmung der anfänglichen mikrobiellen Belastung des Produkts,
  • Berechnung/Hochrechnung der Dosis auf Grundlage der Widerstandsfähigkeit einer identifizierten mikrobiellen Population, und
  • Verifizierung der berechneten Dosis für eine Probe von 100 Stück, um sicherzustellen, dass die Dosis wirksam ist

4. Dosisverteilungsmessung

Sobald ein Produkt hinsichtlich Dosis und Material für geeignet befunden wurde, wird eine Anlage zur Bestrahlung des Produkts ausgewählt. Für das Produkt in seiner finalen Verpackungskonfiguration muss ein Palettenbeladungsschema definiert werden, um die minimalen und maximalen Zonen der zu absorbierenden Dosis bezogen auf das Bestrahlungsfeld zu identifizieren. Jede Anlage verfügt über eine einzigartige Cobalt-Quellenkonfiguration. Aus diesem Grund müssen die Auswirkungen des einzigartigen Bestrahlungsfelds auf die finale Palettenbeladung für jede Anlage, in der das Produkt möglicherweise bestrahlt wird, charakterisiert werden. Die Produktdichte und die Mindestanforderung an die Sterilisationsdosis werden darüber hinaus verwendet, um die Prozesszykluszeit zu bestimmen (also die Zeit, in der sich das Produkt in der Bestrahlungszone befindet und die Dosis absorbiert).

5. Festlegen von routinemäßigen Prozessspezifikationen

Nach Bestimmung der oben aufgeführten Punkte und vor Durchführung des Prozesses wird eine Spezifikation entwickelt, die die Informationen enthält, die für das routinemäßige Bestrahlung des Produkts in der Anlage erforderlich sind. Diese Spezifikation umfasst unter anderem:

  • Beschreibung von Produkt und Verpackung
  • Beladungskonfiguration des Bestrahlungsbehälters
  • Zulässige Mindestdosis (für Sterilisation)
  • Zulässige Höchstdosis (für Materialkompatibilität)
  • Einsatz eines Dosimeters zur Überwachung der zulässigen Minimal- und Maximaldosis für den Prozess, wie während der Dosisverteilungsmessung festgelegt
  • Spezielle Anforderungen an die Handhabung (z. B. Temperatur, Feuchtigkeit), sofern zutreffend

6. Dosisprüfung

Für medizinische Produkte mit der Angabe „steril“ muss die Wirksamkeit der Mindestdosis begründet werden. Außerdem unterliegen diese der Kontrolle der FDA. Eine regelmäßige Neuuntersuchung der minimalen Sterilisationsdosis ist erforderlich, um sicherzustellen, dass die Dosis noch immer korrekt ist. Industrierichtlinien4 sehen die Durchführung regelmäßiger Dosisprüfungen vor, in denen Proben bestrahlt und mit nicht letalen Dosen (wie beim ursprünglichen Experiment zur Bestimmung der Sterilisationsdosis auch) getestet werden, um die Wirksamkeit der Dosis zu überprüfen. Für den Fall, dass eine Dosisprüfung nicht das gewünschte Ergebnis bringt (die festgelegte Mindestdosis reicht nicht aus, um den erforderlichen SAL-Wert des Produkts sicherzustellen), sehen die Standards Maßnahmen zur Behebung vor. Diese Maßnahmen reichen von der Steigerung der Dosis bis hin zur Neuqualifizierung der Minimaldosis.

7. Erneute Validierung

Alle Änderungen hinsichtlich des Materials oder des Produktionsstandorts müssen bezüglich ihrer potenziellen Auswirkungen auf die Sterilitätsvalidierung bzw. die physikalische/funktionale Qualifizierung hin bewertet werden. Wenn ein Produkt in einer anderen Gammaanlage bestrahlt werden soll, muss eine entsprechende Dosisverteilungsmessung durchgeführt werden. Bei einem Wechsel der Gammaanlage ist hingegen keine zusätzliche Dosisfestlegungsvalidierung erforderlich. Die folgenden Änderungen würden beispielsweise eine detaillierte Bewertung und eine mögliche Neuqualifizierung bzw. Revalidierung nach sich ziehen: Produktionsverlagerung an einen neuen Standort; Wechsel des Polymerzulieferers oder der -qualität; Implementierung einer neuen Verpackungsart für das Produkt (von Tray zu Polybeutel).

Literaturangaben

  1. AAMI TIR No. 17
  2. 21 CFR Part 820 Medical Devices: Current Good Manufacturing Practice (cGMP)
  3. 21 CFR Part 820 Medical Devices: Current Good Manufacturing Practice (cGMP)
  4. ANSI/AAMI/ISO 11137-1: 2006. Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Strahlen – Teil 1: Anforderungen an die Entwicklung, Validierung und Lenkung der Anwendung eines Sterilisationsverfahrens für Medizinprodukte.ANSI/AAMI/ISO 11137-2: 2006. Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Strahlen – Teil 2: Festlegung der Sterilisationsdosis.

    ANSI/AAMI/ISO 11137-3: 2006. Sterilisation von Produkten für die Gesundheitsfürsorge – Strahlen – Teil 3: Anleitung zu dosimetrischen Aspekten.

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